top of page
  • Christian Hain

Zwei oder drei Dinge zu Wenders über Hopper bei Bastian


(Berlin.) Von der Hornbrille hin zum kunstvoll angeschnipselten Designeranzug in schwarz gehüllt, ähnelt Wim Wenders - kurz W.W. oder in seiner immer mal wieder Wahl- und beruflichen Heimat USA potentiell auch „Double Double U" (warum hat sich eigentlich nie die Bezeichnung „Triple-Double-U" für's World Wide Web durchgesetzt?) - optisch immer mehr Woody Allen, wenngleich er weniger und inzwischen auch kürzere Filme dreht als jene andere Legende des internationalen Films. Wohl seit Jahrzehnten daran gewöhnt, zu viele Menschen zu treffen, die mit einem Blick als neuer Star „entdeckt" werden wollen - anläßlich dieser Preview bekam er das Photobuch eines Kollegen geschenkt, viel Erfolg! -, schaut er kaum einmal jemandem in's Gesicht, als er sich bei einer Stippvisite in der Berliner (und Londoner) Galerie Bastian als Hopper-Fan outet - wohlgemerkt nicht des Schauspielers Dennis, mit dem er einst, 1977, „Der amerikanische Freund" drehte, sondern des Malers: Edward!


Zu einer Hopper-Ausstellung an der Fondation Beyeler 2020 steuerte Wenders einen 3D-Kurzfilm bei, den wir jetzt in Berlin bestaunen und - möglicherweise nicht ganz unwichtig für den geneigten Leser: käuflich erwerben - können. Stumm aber farbig, geradezu Comic Strip kunterbunt (hat hier jemand „Dick Tracy" gesagt?) und in schärfsten Kontrasten von Licht und Schatten „gezeichnet", wechseln sich die Bilder vor unserer Papp-3D-Brille (kultiger 1980er Retrostyle) ab, erzählen rudimentär von Liebe und Desolation, kleinen Scharmützeln und unbegrenzten Möglichkeiten.

Der Titel dieser Austellung lautet „Two or Three Things, I Know about Edward Hopper" und was Wenders damit meint, was beider Bilder eint, sind die bloß angedeuteten Handlungsstränge, offene (aber jedenfalls amerikanische) Alltagssituationen: In Hotels und an Tankstellen verkehrend, könnten die „Night Hawks" einem Modemagazin der 1930er Jahre entsprungen sein und schauen sehr vieldeutig in die (Zimmer-)Landschaften: in Bild gebannte Atmosphäre, zu Leben oder mindestens Bewegung erweckte Stimmungen. Teils mögen es dieselben Charaktere in verschiedenen Lebensabschnitten sein, auch ungeklärte Zeitsprünge zählen zu den fast endlos offenen Optionen der Nicht-Fabel (ist es aber, unbedeutendes Detail, glaubwürdig, wenn ein Herr nach dem randgewalttätigen Streit im Hotelflur noch einmal zurückkehrt, um die seiner weggezerrten Begleiterin entrissene Kippe auszutreten - geraucht wird hier ohnehin sehr viel, nur im Film selbstverständlich? - Die Möglichkeit eines Hotelbrandes entzieht der Regisseur unseren Gedanken damit!). Während Edward Hoppers Gemälde wie Standbilder des Kopfkinos wirken, verwandelt Wenders sie zurück in Bewegung, führt uns Variationen der Handlungslosigkeit aller potentiellen Handlungen vor Augen.


Eine „3D-Filminstallation" nennt sich das nun und diese Kategorisierung mag dem einen oder anderen eher unbehagliche Konnotationen hervorrufen, an teure, jedoch intellektuell eher (un)billige Touristenspektakel erinnern, die in Weltstädten und Berlin „Künstler, Technik, Attraktionen: Manege frei für Dali/Chagall/Monet/... Experiences", verheißen. Wim Wenders weiß, im Kino sei „die Technik in Verruf geraten" obwohl selbst er wiederholt damit gearbeitet habe, im übrigen fordere „3D das Hirn anders und mehr", das hätten Forscher herausgefunden und dann muß es ja stimmen.

Überhaupt nicht widersprechen mag man ihm, erklärt er, Hoppers zweidimensionale Gemälde böten dem Betrachter „eine Tiefe, die Film und Photo nicht erreichen" (fährt dann leider fort: „weil es ist immersiv", diese mittlerweile quer durch alle Bildungsschichten alltäglich gewordene Wortstellungsstörung bzw. Ignoranz der Konjunktion „denn" ist das neue „wegen dem" und treibt jeden Sprachästheten in innerliche Weinkrämpfe. Draußen, nicht weit von der Galerie, hängt übrigens ein blaugelbes Wahlplakat mit dem Text „Bildung heißt aus Fehlern lernen", ohne Komma und „zu" oder alternativen Gänsefüßchen - soviel zu unserer Rubrik „Chronik des geistigen Verfalls" für heute).

Noch vor der knapp viertelstündigen Filmvorführung spielte Wenders „versunkener Leser", warf sich vor dem Katalogregal der Galerie in Pose und kontrollierte die Aufnahmen unverzüglich auf dem Kameraschirm, da kann der Meisterregisseur nicht aus seiner Haut. Die Medienvertreter sind hier zahlreich erschienen, ob es an der aufziehenden Berlinale lag oder sich mancher Kollege gar morgens halb zwölf in Dahlem ein feines Frühstück vom Caterer erhofft hat...? Es gab keines, nicht einmal Kaffee, und das mag dem Hygienefimmel des seit geraumer Zeit geschäftsführenden Galeristensohnes mitgeschuldet sein, der qua Hausrecht beim Eintritt zur Verhüllung mahnte. Wenders jedenfalls ist kein Coronatiker, ebensowenig wie der hiesige Seniorchef Heiner Bastian und Gattin Celine, die beide auch freiatmend vorbeischauten (alle drei gehören ohngefähr derselben Generation an, kennen sich nach eigener Auskunft „ein halbes Leben" lang). Ganz im Geiste der Schau begann man dann zu träumen und assoziierte dem Abrollen eines vorbeifahrenden Wagens das Rotieren des seligen Beuys' im Grabe, der einst den Senior (immer noch topfit und in ungeputzten weißen Sneakers unterwegs) zum Assistenten nahm und qua großzügiger Schenkungen zum Millionär und Galeristen machte, nur damit der seinen Stammhalter „Aeneas" nennt und jener nun erbittert das Establishment vertritt, das Beuys stets bekämpfte. Hand auf's Herz: wenn Sie einen einzigen deutschen Künstler des Zwanzigsten Jahrhunderts nennen sollten, der sich Maskenwahn und dahinterstehender Politik vehement widersetzt hätte, so wäre der erste Name im Sinn wohl kaum ein anderer als der des ewigen Querdenkers Joseph B. ...

Sei's drum, aus besagtem Filmchen lassen sich mit verhältnismäßig wenig Aufwand „Photographien", tatsächliche „film stills", produzieren und nichts anderes hat Wenders auch getan, dreimal für diesen Anlaß (Auflage 2+1ea, 8-24k). Der weiß noch zu berichten, Edward Hopper habe „zur Inspiration viele Mainstreamfilme der Zeit geguckt", was man (als Fachmann) sähe. An Wenders „Photographien" sieht man wenn man will, übrigens Einflüsse anderer, vielleicht besserer, jedenfalls in Fachkreisen bekannterer Künstler-Photographen: Jeff Wall, Stan Douglas,... die sich natürlich ihrerseits von Hopper haben inspirieren lassen.


Und das war's auch schon. Ein Kurzfilm und drei Bilder, deren kleinstes Format neben dem Flachbildschirm im Eingangsbereich kaum störend auffällt - kleiner Service für den Sammlerhaushalt auf der Suche nach Einrichtungsideen? Auf jenem Screen laufen die Credits, i.e. die Künstlerliste der Galerie, rauf und runter und auf dem Tisch daneben liegt eine Petition zum Bau eines Bürgersteigs vor dem schnieken neuen Galeriegebäude, bescheidene Frage: Könnte man nicht alternativ einen neuen Eingang in den spießigen Gartenzaun sägen und einige Platten - meinetwegen aus Marmor - als standesgemäßen Laufsteg auslegen?


Wim Wenders, Two or Three Things I Know about Edward Hopper, 25. Januar-04. März 2023, Galerie Bastian

World of Arts Magazine - Contemporary Art Criticism

 



bottom of page