(Berlin.) Wer würde bestreiten, daß wir in überaus materialistischen Zeiten leben? In Berlin und der Kunst ist es nicht anders als irgendwo sonst in der immergleichen westlichen Welt; die seit anher bestehende Zweckehe von Kunst und Geld wird zusehends intimer: „am Ende des Tages" ist auch das nur eine Branche unter vielen und Sinn stiftet einzig was zählt. Mithin konnte es uns kaum überraschen als wir erfuhren, daß selbst die Berliner Volksbank seit Jahren eine Kunststiftung (genaugenommen eine gGmbH) mit öffentlichem Ausstellungsraum unterhält.
Die der Berliner Volksbank eigene Stiftung Kunstforum, Corporate Identity gelegentlich „KUNSTFORUM", residiert in einem industriell häßlichen Teil des alten Westens zwischen einer breiten Hauptstraße, deren an sich zahlreiche Parkbuchten rund um die Uhr belegt sind, gräulich-grauer 60er Jahre Architektur und dem fast gemütlichen Lietzensee. Dieses Frühjahr zeigt man Cash on the Wall („Bares an der Wand") und dabei geht es nicht um Johnnys gesammelte Tourposter, sondern den Geruch oder vielmehr: die Optik, den schönen Schein, das Ansehen, mithin die Kunst des Geldes.
Da wir die Fenster eines „Kinderworkshops: Mach' dein eigenes Geld!" (oder so ähnlich) passierten, wunderten wir uns, ob dereinst ein Fälschergenie voller Wehmut auf diesen Tag zurückblicken werde, „non scholae, sed vita…". Die Fenster gehören zur Stiftung und schon erspähten wir einen zweiten Kunstliebhaber, der zielstrebig - nein, doch nicht, der steuerte nur den Geldautomaten neben der Eingangstür an. Bei genauerem Hinsehen - zur Beunruhigung jenes Bankkunden, entpuppte der Geldautomat sich zumindest halbwegs als Kunstwerk: Neben den üblichen Graffiti ziert ihn ein blaues (eigentlich doch mit einer anderen Bank in Deutschland assoziiert?) Paneel, beschriftet mit allerlei umgangssprachlichen Synonymen: "Pinke", "Kröten", "Monet(!)en",… Ein zugehöriges Etikett stellt die Frage "Geldautomat oder Kunstwerk?", verrät aber keinen anderen Urheber des Readymades(?) als den Erfinder der Maschine, einen gewissen John Shephard-Barron und identifiziert noch die Provenienz: eine „Leihgabe der Volksbank Berlin" (linke Tasche, rechte Tasche, das Spiel kennen wir!). Üblicherweise ist der also nicht hier zu finden, er wäre denn eine Dauerleihgabe?!
Beim Eintritt entlockt uns die asiatische, vielleicht gar chinesische, Empfangsdame ein Lächeln, spielen China und chinesische „Art Flipper" (i.e. Spekulanten) doch eine Hauptrolle in der immer intensiveren Kapitalisierung der Kunstwelt (obgleich es scheint, als habe sich der Trend ein wenig abgeschwächt, der vor wenigen Jahren gefühlt jeden Spätimbiß dazu trieb, in das Reich der Mitte zu expandieren… - vielleicht weil inzwischen alle dort angekommen sind). Die Volksrepublik dient dem Rest der Welt zum Vorbild, wie beide Arme des Materialismus, sozialistisch und kapitalistisch, geradezu dialektisch Hand in Hand arbeiten können, individuelle Freiheit und konkurrierende Sinnsysteme zu erdrosseln. Wie bitte? Ach, Sie hören gar nicht mehr zu und lamentieren nur obiges „racial profiling", auch egal, sie war nett und was ist schon gegen ein kleines bißchen Vielfalt, geschaffen in Unterscheidung (anders geht das nicht) einzuwenden?
Gehen wir lieber in medias res: das Geld hängt an der Wand - du mußt nur mit dem Kopf hindurch! Die Ausstellung beginnt mit Banknoten in vielerlei Formen von Warhols Two Dollar Jefferson bis Beuys' Kunst=Kapital über eher unbekanntere Künstler, Christin Lahr spendet dem BMF einen Cent täglich (und noch einiges mehr, jährlich und weniger freiwillig, so sie denn von ihrer Kunst auch lebt), Annett Deppe bastelte ein Bargeld-Origami mit dem Titel Das letzte Hemd und Gerd Sonntag einen überdimensionierten 500,- er aus Glas, der leichter als Fälschung zu erkennen ist als seine sich um Umlauf befindlichen vorgeblichen Wertgenossen. Bereits hier realisierten wir, daß der Ausstellungsraum größer und mit mehr Werken gefüllt ist als erwartet -mehr zu sehen als erhoft, wer könnte das schon bei Ansicht seiner Kontoauszüge behaupten?
Grob gefaßt gehören die ausgestellten Werke folgenden Kategorien an: Zunächst sind da Künstler, die ihr eigenes Geld gestalten, eine künstl(eris)che Währung, und allein unter diesem praktischen Aspekt betrachtet, arbeiten sie nicht anders als ihre Kollegen, die einen Wettbewerb gewinnen und „echtes" (weil von allen Marktteilnehmern als solches akzeptiert) Geld gestalten. Daran knüpft sich jedoch häufig noch eine theoretische Komponente, eine mehr oder minder komplexe Hintergrundgeschichte, Performancearbeit oder soziales Experiment. Das reicht von den hochinflationären „Knochen" eines Kollektivs im Prenzlauer Berg der 1990er Jahre, die sogar von einer Handvoll Geschäfte akzeptiert wurden, hin zu Horst Hussels Mekelenburg Räterepublik. Kurze Auffrischung des Geschichtsunterichts: Räterepubliken waren kurzlebige rotsozialistische Staatsgefüge, die hier und da im Deutschen Reich zu Ende des Ersten Weltkriegs entstanden. Von der „Mekelenburgischen" wird nun angenommen, sie habe bis in die heutige Zeit überlebt und sei dabei nicht weniger vom Kreislauf des Papiergeldes abhängig als der Rest der Welt.
Der Text zur Werkbeschreibung erschließt sich nicht vollends, ist darin doch die Rede von einer „hundert Jahre alten, 1918 gegründeten, Republik" - das ergäbe nur Sinn, wäre das Werk 2018 entstanden, was nicht der Fall ist: es datiert aus „1992-1998/2010". Hussel nannte seine Banknoten „Mekels" (nein, nicht „Merkel", obwohl die bekanntlich aus „Mecklenburg" gebürtig ist) und sie wirken nicht sonderlich authentisch, insgesamt weiß das Werk aber zu beeindrucken.
Andere nehmen die Scheine nicht für bare Münze, verwenden Geld als Hintergrund, Leinwand, gefundenes Material - Ausgangspunkt für ihr Schaffen (das klingt jetzt fast nach dem Alltagsgeschäft einer Galerie), ersetzen den gegebenen Wert mit einem neuen und potentiell höheren, von den Zeichnungen ebenjenes Horst Hussels auf 1920er Jahre Inflationsscheinen bis zu dem heutigen Berliner Marktstar Alicja Kwade mit wie gewohnt sehr ästhetischen Werken, grazilen Zahnrädern aus Euromünzen zum Beispiel. Auch Ingrid Pitzers Geldkuchen gehört hierher, ein Gugelhupf aus geschredderten D-Marktscheinen, der an jenen indianischen Greenpeacechef (oder ähnliches…) gemahnt, dessen Ausspruch noch an so manchem verrosteten Auto prangt: „…werden Ihr merken, daß man Geld nicht essen kann", sowie an Marie Antoinettes Problemlösungskompetenzen: „Muß das Volk sein Brot suchen, behelfe es sich mit Kuchen" (nicht gereimt im Original).
Das schlaue und sehr offene Kunstwerk setzt nicht voraus, ein jeder brauche bares in seinem Leben, das Geld ist nicht unser tägliches Brot - allerdings auch nicht die Kirsche auf sondern der Kuchen selber (sozusagen die Plazenta der Gesellschaft) - wäre aber eine Welt ohne Kuchen nicht eine in vielerlei Hinsicht ärmere?
Den Impuls, ihre Kreativität nach Einführung des Euros an alten Markscheinen auszulassen, hatte Pitzer nicht exklusiv, Victor Bonato tat desgleichen und stopfte die Überreste unter dem Titel: Der Lohn der Arbeit in durchsichtige Plastikkoffer. Bevor Koffer und Tüten (weniger gestückelt, weniger transparent) gerne nach Panama migrierten, zog es sie meist in die Schweiz und auch hier treffen wir einen Eidgenossen an: 1976 zerschnipselte Uli Fuechser valide Banknoten zum Gebrauch in Collagen, die nun ebenso dem Auge schmeicheln wie seine Korrespondenz mit Schweizer Behörden dem Zwerchfell.
Wie lautet noch gleich der Name der Band, die irgendwann in den Neunzigern eine Million Dollar buchstäblich verbrannte? Manche meinen, bei der zeitgenössischen Kunst gehe es insgesamt nicht anders zu.
In gewisser Weise wirken all diese Werke überholt, da handfest existierendes Geld mittlerweile tief im Soll bzw. auf der roten Liste aussterbender Arten steht - digitale Transaktionen sind viel besser auswert- und überwachbar. Mancher Künstler thematisiert das auch, so Vollrad Kutscher als Gründer, Erster Vorsitzender und potentiell einziges Mitglied der Gesellschaft zur Verwertung und Erhaltung der Idee des Pfennigs: Wer den Cent nicht ehrt, ist den Bitcoin nicht wert.
Der Goldkurs mag dieser Tage wieder Rekordhöhen erklimmen, grundsätzlich ist das Edelmetall aber ein noch konservativerer Wert als Bares, Albrecht Ferschs Installation/laufendes Projekt Opus Magnum ist dennoch clever: Bei der Kunst handelt sich es mit einem ganz besonderen Stein der Weisen und passenderweise zitiert der Werktitel das alchemistische Kochbuch. Seit drei Jahren sammelt Fersch Verpackungen von Produkten, die „Gold" in ihrem Namen tragen, errechnet dazu den hypothetischen Wert, wären sie tatsächlich aus dem Material gefertigt. Namen sind Schall und wo Rauch ist wird vielleicht Geld verbrannt, bzw. befeuert die Werbung das Produkt. Uns fiel ein kleiner Lapsus auf: Der Ritter Sport (keine Schleichwerbung, da unbezahlt …leider) „Goldschatz" wiegt 299 Gramm, doch der Künstler notierte nur 2,99 Gramm, man sollte ihm nicht unbedingt in Fragen der Finanzberatung trauen. Und noch eine Beobachtung: Wenn dieser Kassenbon nur annähernd repräsentativ für Ferschs Ernährungsgewohnheiten ist, mag der ein Schwergewicht der Kunst in mehr als nur einem Sinne sein.
Als nächstes hätten wir dann - nun gut: „billige" Wortspiele im Programm, selbst Daniel Spörri ließ sich dazu herab als er 1968 eine mit Bargeld befüllte Box mit einem Wasserhahn versah, nebst anderem money talk: 2016 überkam Caroline Weihrauch die geradezu unglaubliche Einsicht, das grammatikalische Geschlecht könnte in der Tat etwas ganz anderes sein als das biologische, diese Häresie präsentierte sie in Form des gestickten Satzes „Die Bank ist weiblich" (in Zeiten allgemeiner Gleichschaltung wäre das Neutrum grundsätzlich angebrachter).
Andere werden politischer: Helge Leiberg etwa ließ 1994 ein an Street Art und Höhlenmalerei gemahnendes Strichmännchen als Sterntaler der Neunziger unter güldenen Schauern tanzen und wir lernen, der Künstler wollte damit die Nachwendezeit thematisieren, worum es also bei der Vereinigung wirklich ging (möglicherweise auch die Entscheidung, wertloses DDR-Spielgeld 1:1 in DM zu tauschen). Ähnlich dachten wohl auch unsere skandinawischen Zeitgenossen Elmgreen and Dragset, als sie ein Teilstück der Mauer mit einem Geldautomaten versahen und die Installation in den Hamburger Bahnhof stellten, im KUNSTFORUM gibt es davon ein Photo.
1986 gerieten Reiner Schwarzens Zeichnungen zum Thema „Geld" mit Szenen von Alters- und anderer Armut zu kritisch, um von der auftraggebenden Bank ausgestellt und wie geplant an treue Kunden verschenkt(?) zu werden. O tempora, o mores: Heute verkauft sich nichts so gut wie „Antikapitalismus".
Zuguterletzt hätten wir den Kunstmarkt im Angebot, mit z.B. Lee Mingweis Money for Art (1997), das wir bereits in der Retrospektive des Koreaners am Gropius Bau bewundern durften. Sein Photo-Tagebuch dokumentiert das Schicksal zu kleinen Kunstwerken gefalteter Dollarscheine, die er an unterschiedliche Menschen*innen verschenkt hatte, Student, Kellner, Manager, Obdachloser,… Manche wurden gegen Waren oder Dienstleistungen eingetauscht, einer gestohlen und jene Teilnehmer, die ihr Exemplar bis zum Schluß behielten, darunter der Obdachlose - nun, man weiß nicht, ob es ihnen ans Herz gewachsen ist oder sie nur einen Tip, den „wahren" Wert der Kunst betreffend, bekommen hatten?
Christa Sommerer&Laurent Mignonneaus Der Wert des Geldes - Schafskopf kommt ohne Spielblatt aus, besteht dafür aus einer Tierzeichnung (noch ohne Warnhinweis für Veganer ausgestellt), einem Lichtsensor, und einem Quittungsdrucker, der bei jedem vor dem Werk verharrenden Besucher einen Posten mehr auf die heraushängende Rechnung setzt. Das spielt vermutlich auf „Sheeple" (brave Schafe, die "denen da oben" ohne Mähen und Murren folgen) Verschwörungsvokabular an und ist nicht wirklich durchdacht: Die Behauptung, indiskriminative Aufmerksamkeit generiere Wert in der Kunst, ist unzutreffend, da Street Art und dekoratives Design zu den sichtbarsten Künsten überhaupt zählen, der Künstler damit aber in der Regel wenig bis gar nichts verdient. Es muß schon die „richtige" Aufmerkamkeit sein, die der „richtigen" Leute. Denkt man hingegen an die antisozialen Medien und ihre intellektuell zumeist eher minderbegabten Beeinflusser, trifft das schon eher zu (der Denkfehler mag allerdings zeigen, warum Sommerer und Mignonneau Künstler keine Galeristen sind, sondern Künstler).
Weitere Werke sind nicht so leicht zu kategorisieren, darunter das hyperrealistisch dreidimensionale Bildnis einer Tresortür von Lies Macula (2019) und HP Feldmanns - ach nein: diese güldenen Pumps stammen von Anne Jud! Sogar ein, zwei russische Künstler sind vertreten, das ist hier tatsächlich noch möglich! Man wagt ja kaum noch, im Café russischen Zupfkuchen zu bestellen, oh Freunde nicht diese Töne… Um an dieser Stelle einmal wieder abzuweichen (bei modern chronischer Aversion gegenüber anderen Meinungen überspringen Sie bitte folgenden Absatz): Sind die historischen Parallelen, eine Wiederholung der Geschichte im Abstand ohngefähr eines halben Jahrhundert nicht amüsant? Ein russisch gestützter Regierungswechsel auf Kuba verärgert die Amerikaner, die dann in der Schweinebucht scheitern ≈ Ein US-gestützter Regierungswechsel in der Ukraine verärgert Rußland, das auf der Krim nicht scheitert; russische Raketen auf Kuba stören abermals Amerika, das aufmarschiert doch die Russen geben klein bei (nachdem die USA ihrerseits, aus PR-Gründen klammheimlich, Raketen aus der Türkei abzogen) ≈ Die NATO möchte sich in der Ukraine häuslich einrichten und damit Rußland die Pistole auf die Brust setzen, Rußland marschiert auf und nach Scheitern der Verhandlungen auch ein…
Ach, zu denken, es gäbe keinen Krieg in der Ukraine, hätte man nur verläßlich zugesichert, der Staat werde in den nächsten fünzig Jahren weder in die NATO noch in die EU aufgenommen!
Tatsächlich folgt die beständige Ausweitung der westlichen Machtsphäre keinem Naturgesetz. Und schon hetzt unsere Propaganda - nicht zuletzt im Gewand der Kultur - gegen alles russische, ruft fast schon buchstäblich zum WK3 auf. Können Sie sich übrigens erinnern, es wäre unmöglich gewesen, während des Irakkrieges oder irgendeines anderen US-Militäreinsatzes nach Amerika zu fliegen, oder sich daheim amerikanischem embedded „journalism" auszusetzen, wurde ein einziger amerikanischer Unternehmer seiner Staatsangehörigkeit wegen in einem Drittland enteignet? Heute ist es dagegen offiziell: Die EU hat sich von dem Menschenbild der Aufklärung als Grundlage der Demokratie verabschiedet, nichts ist es mehr mit offener Gesellschaft und freiem Individuum, das ganz unabhängig für sich selbst entscheiden, frei beeinflußt seine Meinung bilden, darf, da finden wir uns wieder zu untertänigen Objekten degradiert. Ungeniert kopiert man chinesische Taktiken und die „große Firewall": der Zugang zu russischen Medien ist gesperrt, denn unsere Autoritäten haben für uns entschieden, wessen Propaganda, wessen Seite, wessen Sichtweise: wessen Wahrheit, bzw. wessen Lügen wir exklusiv konsumieren dürfen. Ganz offiziell und schamlos dekretiert ist der Bürger kein souveränes Subjekt mehr, nicht mehr Spieler, sondern Spielball. Ohne Optimismus und Vertrauen in den Menschen aber hat die Demokratie abgedankt. Mithin im Westen nichts neues, nichts anderes als gegenüber, auf der anderen Seite, aber wollte Europa nicht einmal anders sein?
Das ist nicht Ihr Krieg, Politik interessiert sie nicht, und schon gar nicht eine osteuropäische Nation, die jahrhundertelang russisches Kerngebiet war, Sie möchten nur Ihren Garten bestellen, sich nicht in fremder Leute Angelegenheiten einmischen - mögen die auch noch so traurig sein -, Sie haben es sich immer noch nicht austreiben lassen, zwischen innen und außen, sich und anderen, zu diskriminieren, würden aber gerne in diesem Frühjahr nach Sankt Petersburg reisen? Keine Chance, denn „wir" sind überall, „wir" sind die ganze Welt, „wir" haben immer und überall recht, denn „wir" sind die Guten, und „unsere" Gott- oder war's Wissenschaft-? gegebene Moral ist unfehlbar, „unser" Recht gilt überall und „wir" - das sind eigentlich „unsere" Autoritäten - entscheiden für jeden Einzelnen, der sich längst an die Masse aufgegeben hat, auf welcher Seite er zu stehen und was er zu denken hat. What's next? Aufnahme Taiwans in die EU, dann den Chinesen verbieten, unsere Telefone oder eigentlich: alles zu bauen? Man vergesse niemals die simple Regel: Wenn um dich herum alle das gleiche sagen und niemand widerspricht, dann stimmt da etwas nicht.
Back to business: Mehrere Videoarbeiten, deren beeindruckendste Philipp Valenta beim Geldzählen im stillen Kämmerlein zeigt (2009). Hardcore-Pornographie für den echten Hanseaten, der sein Geld niemals für so etwas unnützes wie z.B. Kunst ausgeben würde, wirkt das fast wie eine Bewegtbildversion von Rembrandts Geldwechsler. Nur warum trägt der zweiundzwanzigjährige Künstler Schlips und schwarzen Anzug, während neues Geld wie wir alle wissen lieber in T-Shirt und Turnschuhen auftritt? Sind solche veralteten Klischees wirklich notwendig? Auch wird es wie erwähnt, zunehmend schwerer, sein Geld mit den Händen zu zählen, Onkel Dagoberts Geldspeicher existierte heute allenfalls auf den Servern fremder Firmen in der Cloud.
Natürlich findet sich auch ganz vorwärtsgewandte Kunst im Volksbank Kunstforum, darunter gar eines jener vielbeworbenen NFTs, die gerade in aller Munde sind (von Markus Huemer). Vereinfacht ausgedrückt ist das eine Art neues, „verschlüsseltes" Dateiformat für alles digitale. Sie könnten bspw. Ihr Hochzeitsphoto in ein NFT konvertieren, womit es zwar immer noch beliebig oft kopierbar ist, nur sorgt die serienmäßige Blockchaintechnologie dafür, daß „das" Original als solches identifizierbar bleibt während jede Kopie ihren eigenen, abweichenden „Lebenslauf" mitbringt. Mit ein bißchen Glück und Marketing ist Ihre Datei - die auch die Filmsequenz eines Sportereignisses oder gar das Photo eines Gemäldes, nein, das können wir noch besser: das kopierte Photo eines gefälschten Gemäldes kann zum „echten" NFT werden - dann mehre Millionen Dollar, oder Euro, oder eine Handvoll Bitcoins wert. Rückständige Konzepte wie „Qualität" (nicht immer für alle gleich, menschlich statt vom Computer berechenbar, nicht massentauglich) spielen da kaum eine Rolle, ob Erzeugnisse eigentlich irrelevanter Künstler (Sag' „Hallo Beeple!") oder Animationen tanzender Affen. Angeblich weigert sich der alte weiße Mann Warren Buffett weiterhin hartnäckig, mit jedweden Blockchain-Produkten in Berührung zu kommen, denn denen läge kein „echter" Wert abseits menschlicher „Phantasie" zugrunde. Das allerdings mag im Falle traditioneller Währungen nicht fundamental anders sein, spätestens seitdem alle Welt den Goldstandard aufgegeben hat und auch Gold… da immer mehr davon gefördert wird, kaum aber jemals welches „verbraucht", i.e. zerstört, sollte sein Wert den Gesetzen der Inflation zufolge heute geringer sein als vor einem oder mehren Jahrhunderten.
Der Wandtext zu Via Lewandowskys Oder so, 2021- ein Neonschild mit den Worten „alles nichts" Zeilenumbruch „besser alles" ließ mich abermals ratlos zurück und ich hege den Verdacht, der Person, die diese „Erklärung" verfaßt hat, geht es nicht viel anders. Selbst wenn man den verblosen Werktext rückwärts, schräg oder sonstwie liest, folgt aus dem einschlägigen Wittgenstein-Zitat, „Die Welt ist alles, was der Fall ist" nicht logisch zwingend, „Wenn die Welt alles ist, was der Fall ist, dann ist alles,
was der Fall ist, nichts" - es sei denn, man ergänzt als weitere Prämisse: „Die Welt ist nichts." Und nein, hier einen beliebigen Begriff mit „Cash" zu ersetzen „löst das Rätsel" keinesfalls. Eventuell hätte es geholfen, mich eine Weile zu setzen und intensiver darüber nachzudenken. Wenngleich dies keine riesige Ausstellung ist, so doch immerhin eine mittlerer Größe - über zwei Etagen spannend - und hier und da stehen auch einige Stühle herum, stets mit dem Hinweis versehen: „Bitte nur in Notfällen setzen". Sie muten nicht besonders wertvoll an, oder antik, also hat das wohl immer noch mit dieser Grippe zu tun. Ich war der einzige Besucher an einem Dienstagvormittag und wage einmal zu bezweifeln, daß sonderlich viele Touristenbusse die Stiftung Kunstforum der Berliner Volkbank ansteuern.
Das Thema Kunst und Geld ist offen für viele Sichtweisen und wir sollten wachsam bleiben, daß sich dies nicht zugunsten modischer Einseitigkeit ändert. Einmischungen von Politik und Ideologie sind weitaus gefährlicher für die Kunst als Geld, das immer vonnöten (oder zumindest benützt) wurde, um sie und ihre Urheber zu finanzieren. Wie alle Subsysteme mehr und mehr unter Druck von selbsterklärt unfehlbaren, da missionarisch erleuchteten („woke") Führern stehend, hat die Kunstbranche sich entschieden, daß manches „pecuniam" eben doch „olet" und große Museen verweigern inzwischen die Annahme finanzieller Zuwendungen von - nein, nicht Drogen- und Waffenhändlern, oder EA (ein Witz, den Ihre Kinder verstehen), sondern Unternehmen der Erdölindustrie. Großartige PR, aber niemals vergessen: Weder sollte die Kunst sich einzig um's Geld(verdienen) drehen, noch sie sich an Mainstreampolitik und -moral verkaufen. Auch sind Museen und ihre Direktoren keine Künstler oder Politiker, „Schuster, bleib' bei deinen Leisten" möchte man ihnen zurufen. Unmoralische - und gar noch unmoralisch erworbene - Kunst ist häufig die beste und das betrifft grundsätzlich nur die Moral der Zeit: es gibt keine andere.
Nichts und niemand ist nur „gut" oder nur „böse", geradezu analog gibt es da überall Schattierungen und sogar jemand, der aus heutiger Sicht „schlechtes" tat, mag nebenbei auch „gutes" getan und sich das Recht verdient haben, seinen Namen auf einer Stiftungsplakette verewigt zu finden. Ja, das schließt Sklavenhändler ein.
Denkt nicht digital, in Einsen und Nullen, das es ist nicht menschlich, noch wie das Leben funktioniert.
Und jetzt bitte alle wieder den „The Canvas"-Newsletter lesen, da macht viel Geld viel Spaß...
Cash on the Wall, 17. Februar - 19. Juni 2022, Berliner Volksbank Stiftung Kunstforum
World of Arts Magazine - Contemporary Art Criticism
Comments