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  • Christian Hain

original bauhaus. Ein Crashkurs, original, in- und extensiv, an der Berlinischen Galerie


(Berlin.) Nun, da sich Zweitausendneunzehn und das hundertjährige Bauhaus-Jubiläum bald schon wieder dem Ende zuneigen, laßt uns frei nach dem Dichter sprechen:

Wer jetzt kein Bauhaus schaut, der braucht auch keines mehr. // Wer jetzt Banause ist, wird zuhause bleiben // Wird posten, tweeten, Photos teilen // Statt zu Ehren Kunst und Künstlern, // Staunen, was die Kuratoren treiben.

Eine ganze Reihe Ausstellungen würdigt(e) den Anlaß, und sollten Sie bislang keinen wahrgenommen haben - warum nicht jene der Berlinischen Galerie wählen? Dort möchte man daran erinnern, daß es sich beim Bauhaus in erster Linie nicht um einen Stil, einen weiteren Frühzwanzigstes-Jahrhundert–ismus der Künste, gehandelt hat, sondern eine Hochschule, von Walter Gropius 1919 in Weimar gegründet. Während der vierzehn Jahre ihres Bestehens (in Deutschland) wirkte sie bedeutenden und bis heute andauernden Einfluß auf Architektur, Kunst und Design. Neben drei Hauptausstellungen in Weimar und den späteren BH-Standorten Dessau und Berlin, begeht man das Jubiläum mit Veranstaltungen in ganz Deutschland und darüber hinaus - von Amerika (Illinois Institute of Technology) bis Israel (White City Centre, Tel Aviv) und Japan (Wanderausstellung Come to Bauhaus) -, dazu treten halboffizielle Trittbrettfahrer wie etwa das Berliner Museum für Photographie im Frühjahr (herausragend, aber leider bereits beendet).

original bauhaus (Eigenschreibweise) an der Berlinischen Galerie ist Teil des offiziellen Triumvirats und gliedert sich in vierzehn Kapitel, darin nummerisch die Lebensdauer der Institution spiegelnd - ein erstes Warnsignal bezüglich Größe und Ambition dieses Projekts.

Das originale Bauhaus war eine Lehranstalt und die Definition eines Originals wird schwierig, geht es um Bauhaus, wo man die Serienfertigung von Architektur, Kunst und Design lehrte. Die gezeigten Beispiele reichen vom Ex- ins Interieur, zu Möbelstücken, Teekesseln und Teppichen. Einerseits eine willkommene Erinnerung daran, wie umfassend der künstlerische Ansatz war, andererseits überwiegt der Eindruck, es vor allem mit Dokumenten, nicht Artefakten zu tun zu haben. Seltsam, wird doch stolz auf „über 1000 Exponate“ in den Hallen der Berlinischen Galerie verwiesen, 80% derer aus den Beständen des Berliner Bauhaus Archivs, der weltgrößten thematischen Sammlung, stammen. (Selbigem Archiv wurde vor geraumer Zeit eine neue Heimstatt mit eigener Ausstellungsfläche versprochen, das entwickelt sich aber zusehends zum BER der Künste). Abseits der Forschung kümmert man sich am Archiv auch um die Promotion, schickt dieser Tage sogenannte „Bauhausagenten“ an bundesdeutsche Schulen - trotz der Nähe zur real existierenden DDR-Architektur entschied man sich gegen die Bezeichnung "BaSi".

Das tausendwerkige Bauhausreich ist (wohl unvermeidlich) unübersichtlich, der Besucher sich regelmäßig im Unklaren, welchen Teil er eigentlich schon gesehen, welchen Wandtext noch nicht gelesen hat. Wie bereits erwähnt, entschieden sich die Kuratoren gegen einen chronologischen Aufbau, verzichten aber dennoch nicht auf Zeitleisten – hiervon gibt es gleich mehrere, auch zu Themen wie Vortragsreisen und Konferenzteilnahmen der Lehrkräfte. Die mitunter trockene Präsentation wird – dies ist immerhin das einundzwanzigste Jahrhundert, alles, auch Bildung, muß „Spaß“ machen - mit interaktiven Elementen, einem künstlerischen Abenteuerspielplatz, aufgelockert. Da dürfen wir uns am Bildschirm an Digitalzeichnungen und Collagen versuchen, oder auch geometrische Muster sortieren. Überhaupt zählt es wohl zu den Zielen der Ausstellung, den Werdegang eines Bauhaus-Studenten nachzustellen.

Es ist geradezu unmöglich, sich nach einmaligem Besuch der Ausstellung mehr als bloßer Bruchstücke zu erinnern. Da sind Kurzbiographien diverser Lehrerpersönlichkeiten, Albers, Itten, Kandinsky, Klee, etc., Mitschriften ihrer Vorlesungen, Seminare und Prüfungen, Abschweifungen wie „Besuchte Mies van der Rohe die ‚Erste Dada-Messe’ 1920?“ - ein verschwommenes Photo könnte den Beweis liefern, überhaupt Photographien von Bauhäuslern, Freunden, Kollegen und Nachfolgern - Man Ray, El Lissitzky, bis hin zu Thomas Ruff, Detektivgeschichten: „Das Photogram. Und wer hat’s erfunden?” (Auflösung: viele Künstler, ganz unabhängig voneinander) und “Wer war die Frau mit der Maske?”, einst auf einem ikonischen Marcel Breuer Stuhl abgelichtet. Dann Oskar Schlemmers Triadisches Ballett in überlebenden Filmschnipseln und Dokumenten, desselben Gemälde von Studenten auf einer Treppe des Original Bauhauses im Original neben späteren, auch „originalen”, Photo-Kopien/Neuinterpretationen, deren bekanntester Urheber Thomas Demand ist, und gar noch der Versuch einer Rekonstruktion der 1933 nach Machtergreifung der Nationalsozialisten abgesagten Hanna Höch-Ausstellung. Dazu Filme, Oscargewinner Florian von Henckel-Donnersmarcks kleine Schwester(?) Anna entschied sich, ihren Beitrag in einem Würfelraum auf alle Wände abwechselnd zu projizieren, den Betrachter somit zu Vogelgleichem Kopfdrehen nötigend, was ungemein unpraktisch und damit so ganz und gar nicht “Bauhaus” ist. Ein Fehler, den man ansonsten wohlweislich vermied: Selbst die Audioguides sind hier ganz seriell in Reih’ und Glied angeordnet!

Man muß Bauhaus nicht mögen (es ist immer wieder verblüffend, wie rational, effektiv, inhuman, die Gestaltung für Massen bei gleichzeitiger Beteiligung so großartiger Künstler war), aber doch kennen. original bauhaus ist aber nicht der beste Einstieg für den Laien, zu groß, zu unübersichtlich scheint das Unterfangen. Man überfordert wenn nicht das Thema und sich selbst, so doch die meisten Besucher. Die Ausstellung wirkt wie ein - mindestens - einsemestriges Seminar gepackt in – ja, wieviel Zeit wenden Sie für einen Ausstellungsbesuch im Durchschnitt auf? Für den gestandenen Experten mag sie aber durchaus eine Offenbarung und das Ereignis des Jahres sein!

original bauhaus, 06. September 2019-27. Januar 2020, Berlinische Galerie

World of Arts Magazine – Contemporary Art Criticism


 


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